Esselborn, Hans (2007):
"Die Atomenergie in der Science Fiction: Unerschöpfliche Energiequelle oder implizite Katastrophe?." Entfesselte Kräfte: Technikkatastrophen und ihre Vermittlung: Internationale Tagung am 6. und 7. Juli 2007 in Köln. Eds. Petzold, Dieter; Drux, Rudolf; Kegler, Karl R.. Moers: Brendow. 212-239. Inklings-Jahrbuch; 25.
Article in Anthology
Abstract

Die Atomenergie wird trotz aller euphorischen Hoffnungen von Technikfans z. B. in der früheren DDR (H. L. Fahlberg, E. Del’ Antonio) in der Science Fiction meist mit Skepsis gesehen. H. Dominik beurteilt ihre Möglichkeiten ambivalent. Die negative Darstellung liegt vielleicht daran, dass das Phänomen, wissenschaftlich als Atomzerfall oder als Kernspaltung bezeichnet, eine destruktive Tendenz suggeriert. Diese wird zunächst in konventionellen Kategorien beschrieben, nämlich als Atombrand. Da die militärische Nutzung der Atomenergie in Hiroshima und Nagasaki der zivilen viele Jahre vorausgeht, ist es fast selbstverständlich, dass zunächst an eine vernichtende Waffe gedacht wird, bei der die immanente katastrophale Tendenz absichtlich entfesselt werden kann (H. G. Wells: The World Set Free). Manche Autoren interessieren sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges nur für diese Möglichkeit, die zum Untergang einer ganzen Zivilisation führt (S. Lem: Die Astronauten). Bei Autoren des ehemaligen Ostblocks hat die Atomkatastrophe politische Ursachen, da die veraltete gesellschaftliche Ordnung mit allen Mitteln verteidigt wird. Bei Arno Schmidt (Schwarze Spiegel, Kaff) ist sie im Grunde anthropologisch durch den Egoismus und die Unvernunft des Menschen bedingt. Oft wird auch den Wissenschaftlern die Schuld an der Katastrophe gegeben (W. Miller, K. Vonnegut, Ph. K. Dick). Aber die Auslösung des Atomkriegs wird meist einem unglücklichen Zufall zugeschrieben (H. Werner, K. H. Scheer). Insofern gleichen die Katastrophen der friedlichen Nutzung denen der mili­tärischen, d. h. die Atomenergie impliziert immer eine mögliche zufällige Katastrophe.


This destructive tendency initially is described in traditional terms, as nuclear fire. Since the military use of nuclear energy in Hiroshima and Nagasaki preceded its civilian use by several years, it is almost inevitable that nuclear energy was at first regarded as a destructive weapon whose intrinsic destructive potential could be unleashed on purpose (H. G. Wells: The World Set Free). In the context of the Cold War some authors were interested exclusively in this dangerous capacity of atomic technology which might lead to the destruction of a whole civilisation (S. Lem: Die Astronauten). Among authors of the former East Block the nuclear catastrophe has political reasons, as an outdated social order is defended by all means. Arno Schmidt (Schwarze Spiegel, Kaff) sees it from an anthropological point of view, as caused by man’s egoism and lack of reason. Often scientists are blamed for the catastrophe (W. Miller; K. Vonnegut, Ph. K. Dick). However; the start of a nuclear war is generally imagined to be the result of an unlucky accident (H. Werner; K. H. Scheer). In this respect military nuclear disasters are similar to civilian ones: the use of nuclear powers always implies the threat of accidental disaster.