Welz, Stefan (2001):
"Literarische Tierwelten als soziale Gegenwelten." Inklings-Jahrbuch 19. Ed. Petzold, Dieter. Moers: Brendow. 35-57. Inklings-Jahrbuch 19.
Article in Anthology
Abstract

Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier war für die Menschheit von Anbeginn bedeutsam. Die Vielfalt der ursprünglichen Mensch-Tier-Beziehungen erfuhr durch die christliche Religion mit ihrer Weltentstehungsgeschichte eine Einengung und Hierarchisierung, die über Jahrhunderte hinweg Gültigkeit hatten. Im Zuge der Säkularisierung des 19. Jahrhunderts, der veränderten Alltagsbedingungen und angesichts des Aufschwungs der positivistischen Naturwissenschaften erfolgte eine Verschiebung im Mensch-Tier-Diskurs, die zwar die Unterordnung des Tieres unter den Menschen nicht aufhob, aber den religiös verankerten Inferioritätsstatus lockerte. Dabei dominierten vor allem zwei Tendenzen, die mit Domestizierung und Verwissenschaftlichung erfaßt werden sollen. Die Entgrenzung des Tierdiskurses inspirierte die bildenden Künste und die Literatur während des Spätviktorianismus und Modernismus auf vielfältige Art und Weise, so daß der ästhetische Gebrauch und entsprechende Darstellungen über Stellvertreter- und Moralkonzepte, wie sie in der traditionellen Tierfabel üblich sind, hinauswiesen. Der Aufsatz will an der exemplarischen Untersuchung von relevanten Texten Rudyard Kiplings, Henry Williamsons und George Orwells Aspekte und Möglichkeiten dieser Veränderung aufzeigen.


The relationship between Man and Beast has been a very important opposition since prehistoric times. Christian religion with its narrative of the genesis of the world ranked Beasts below Man and gave rise to a hierarchic as well as a static understanding of nature which went unquestioned for many centuries. From the 19th century onwards there has been a remarkable shift in this world concept due to a decline of belief in biblical truths, the results of urbanism and industrialism, and the growing influence of positivistic natural sciences. Thus, although the idea of Beasts being inferior to Man was not abandoned, animal discourse became largely freed from its religious predetermination. The process, well under way throughout late Victorianism and Modernism, was dominated by both a domesticating and a scientific tendency. The manifold possibilities of animal-related discourse inspired arts and literature to such extent that new forms replaced gradually the more traditional representation of animals as mere substitutes of human beings for moralistic purposes. Works of authors such as Rudyard Kipling, Henry Williamson, and George Orwell will demonstrate these shifts.