Siebald, Manfred (1995):
"George MacDonald's 'A Book of Strife' and the Tradition of Metaphysical Poetry." Inklings-Jahrbuch 13. Eds. Petzold, Dieter; Rendel, Christian. Moers: Brendow. 9-26. Inklings-Jahrbuch 13.
Article in Anthology

Abstract

George MacDonalds Ein Buch des Kampfes in Form eines Tagebuchs einer alten Seele und die Tradition der Metaphysical Poetry George MacDonalds Gedichtband A Book of Strife in the Form of a Diary of an Old Soul (1880) läßt sich in mancher Beziehung in die Tradition der „Metaphysical Poetry“ einordnen, die im siebzehnten Jahrhundert in England Vertreter unter anderem in John Donne, George Herbert und Andrew Marvell hatte, nach T. S. Eliot aber mehr eine Gattung als eine einmalige historische Erscheinung darstellt. Thematisch meist mit Liebe oder religiösen Themen befaßt, zeichnet sie sich aus durch Einfallsreichtum, Intellektualität und bisweilen Obskurität. Auffallendstes Merkmal ist die Vorliebe für kühne dichterische Bilder („conceits“), in denen eigentlich ungleiche Dinge und Sachverhalte miteinander verglichen werden, um (häufig neue) philosophische oder religiöse Erkenntnisse in die Lebenswirklichkeit zu übersetzen. MacDonalds Verwandtschaft zu dieser Tradition wird durch das Vorhandensein einer Reihe dieser Merkmale in A Book of Strife nahegelegt, aber auch durch seine literaturkritische Beschäftigung mit Donne, Herbert und anderen Metaphysicals in England's Antiphon (1868), seiner Geschichte geistlicher englischer Dichtung. Donne kritisiert er darin vor allem wegen formaler Unzulänglichkeiten, während er Herbert wegen seiner gedanklichen und religiösen Tiefe lobt. Die biographische Bedeutung von Diary of an Old Soul besteht hauptsächlich in MacDonalds Reflexion über die Verluste seiner Kinder, aber auch darüber hinaus lassen sich in den einzelnen Gedichten zahlreiche biographische Anspielungen nach weisen. In formaler Hinsicht bildet das Buch eine Sammlung von 366 jedem Tag des Jahres zugeordneten siebenzeiligen Gedichten von wechselndem Reimschema, die weniger ein zusammenhängendes Ganzes als eine Reihe von kleinen Gruppen und größeren Zyklen darstellen. Die Bilder sind nur zum Teil kühn in der Art der Metaphysicals - sie stammen aus den Bereichen von Familie, häuslichem Leben, Handwerk, Wetter, Reise - häufig der Bibel entnommen - und spannen nur gelegentlich schwer nachvollziehbare Bögen zwischen Bild- und Sachhälfte. Unebenheiten in der rhythmischen und syntaktischen Qualität der Gedichte erinnern an die Schwächen, die MacDonald an Donne kritisiert. Eine Vielfalt von Themen ziehen sich durch die Reflexionen des älter werdenden Menschen, der über die Sehnsucht der Seele nach Gott und Gottes Handeln am Menschen nachdenkt. Auffällig unter diesen Themen sind die „eingeschränkte Sehfähigkeit“ des Menschen, das „heilsame Leiden“ und die „andauernde Schöpfung“. Der Mensch kann von sich aus weder die Welt noch Gott ungebrochen wahmeh- men. Dies schlägt sich fiir den Dichter in einer eingeschränkten Beschreibungsfähigkeit der Wirklichkeit nieder. Gott sendet dem von ihm entfremdeten Menschen negative Erfahrungen, um ihm die Grenzen menschlichen Autonomiestrebens aufzuzeigen und ihn zu sich zurückzurufen. Auch für den bereits Glaubenden sind negative Lebens- und Glaubenserfahrungen letztlich eher Hilfen als Hindernisse auf dem Weg mit Gott, denn durch solche Erfahrungen läßt Gott im Laufe der Zeit den Menschen als eine neue Schöpfung entstehen. Der Vergleich MacDonalds mit den Metaphysicals weist ihn als nur teilweise in diese Tradition gehörig aus. Während er in formaler Hinsicht hinter den Besten unter ihnen zurückbleibt, ist er ihnen in der Komplexität der Gedankenführung und der Syntax durchaus ähnlich. Vor allem aber seine gedankliche und theologische Tiefe sowie stellenweise seine Fähigkeit, neue philosophische und wissenschaftliche Strömungen in Bildersprache umzusetzen, rückt ihn als christlichen Dichter in die Nähe George Herberts.